Geburtsbericht - Familie Wiese

 

Vor meiner Schwangerschaft hätte ich nie daran gedacht in einem Geburtshaus zu entbinden, ich wusste nicht mal, was ein Geburtshaus überhaupt ist. Doch als wir uns überlegten, wo unser Sohn zur Welt kommen sollte, stießen wir im Internet auf das Geburtshaus in Idstein und die Berichte der Familien, die dort entbunden hatten. Im Vergleich zu dem, was wir über Geburten im Krankenhaus hörten, geprägt von Standards und Routinen, erschien mir der Gedanke mein Kind in Ruhe, ohne Krankenhaushektik und so, wie ich es in dem Moment will, zur Welt zu bringen, immer reizvoller. Wir beschlossen also den Infoabend zu besuchen und entschieden uns für Katja als Nachsorgehebamme. Sowohl der Infoabend als auch die zwei Vorgespräche, die vor einer Geburt im Geburtshaus stattfinden, bestärkten uns in unserer Entscheidung für das Geburtshaus. Uns gefielen die zwei gemütlichen Geburtsräume und wir fühlten uns von den Hebammen gut informiert. Ich lernte alle Hebammen, die Geburten im Geburtshaus betreuen, auch bei Vorsorgeuntersuchungen am Ende meiner Schwangerschaft und geburtsvorbereitender Akupunktur kennen, außerdem ging ich zum Yoga und zur Wassergymnastik und wir besuchten den Geburtsvorbereitungskurs im Geburtshaus. Seit dem Mutterschutz ging ich auch ins Eltern-Kind-Café, was eine tolle Möglichkeit ist, sich mit anderen Eltern auszutauschen und sich in den Vorträgen über verschiedene Themen zu informieren. Auch die Erfahrungen, von denen mir die Mütter dort erzählten, halfen mir bei der Entscheidung für das Geburtshaus.

Natürlich stand auch für uns die Sicherheit unseres Babys an erster Stelle. Für uns war es wichtig einen Überblick zu haben, welche Komplikationen während einer Geburt auftreten können und wie im Geburtshaus damit umgegangen wird. Da die Fahrt bis zu den nächsten Geburtskliniken eine Weile dauern kann, war uns klar, dass bei Komplikationen frühzeitig dorthin verlegt wird und über die Entscheidung der Hebammen für eine Verlegung nicht diskutiert wird. Wir besuchten auch einen Infoabend im Krankenhaus und obwohl ich mich dort bei Untersuchungen während meiner Schwangerschaft sehr gut betreut gefühlt habe, wollte ich für die Geburt auf die medizinische Umgebung verzichten und fühlte mich mit der Eins zu Eins Betreuung im Geburtshaus wohler und auch sicherer. Im Krankenhaus, wo auch in der Geburtshilfe viel weniger auf individuelle Wünsche und Vorstellungen eingegangen werden kann, hätte ich mich zu sehr bevormundet und unter Druck gefühlt.

Meine Schwangerschaft verlief problemlos und so bekamen wir drei Wochen vor dem errechneten Termin die Rufbereitschaftsliste der Hebammen. Unser Sohn machte jedoch keinerlei Anstalten sich auf den Weg zu machen, was mir irgendwann ziemlich auf die Nerven ging, die Hebammen jedoch überhaupt nicht beunruhigte. Also wartete ich ab und trank Wehentee.

Die Geburt begann nachts mit starken Wehen, doch da ich vorher schon einige Vorwehen gehabt hatte, glaubte ich erst, dass es nun wirklich losging, als die Fruchtblase platzte. Die Wehen wurden noch stärker und regelmäßiger und wir riefen Yvonne an, die in dieser Nacht Dienst hatte. Als wir im Geburtshaus ankamen, wollte ich sofort in die Wanne, was ich nach einer kurzen Untersuchung auch durfte. Die nächsten Stunden verbrachte ich eigentlich nur in der Wanne, wenn ich mal kurz draußen war, wollte ich sofort wieder zurück, da die Wehen im Wasser viel erträglicher waren. Ich konnte in aller Ruhe meine Wehen verarbeiten, wechselte ab und zu mal die Position und konnte mich ganz darauf konzentrieren, mein Kind auf die Welt zu bringen. Yvonne hörte regelmäßig die Herztöne mit dem Dopton ab und untersuchte den Muttermund, ansonsten ließ sie mich in Ruhe. Auch für meinen Mann war die entspannte Atmosphäre sehr angenehm, da Yvonne sich so zurück hielt, konnte auch er den Dingen ihren Lauf lassen ohne das Gefühl zu haben, etwas tun zu müssen.

Als der Muttermund fast offen war, geriet die Geburt ins Stocken. Wir probierten verschiedene Positionen aus, wozu ich dann auch meine geliebte Wanne verließ, mein Mann lief mit mir durch die Geburtsräume und Yvonne gab mir Medikamente, aber nichts half. Inzwischen war Adeline als zweite Hebamme eingetroffen und Yvonne und sie waren sich einig, dass wir ins Krankenhaus fahren mussten. Ich protestierte nur kurz, denn mir war ja klar, dass es keine Diskussionen gab. Ich bekam einen Wehenhemmer und mein Mann packte unsere Sachen ins Auto, dann fuhr Yvonne mit mir voraus und er hinterher in die Klinik. Trotz Wehenhemmer waren der Weg dorthin und vom Auto in den Kreißsaal sehr schmerzhaft, aber das wäre mir auch nicht erspart geblieben, wenn wir direkt dorthin gefahren wären.

In der Klinik hatte ich dann all das, was ich eigentlich nie wollte: venösen Zugang, PDA, Krankenhausatmosphäre und einen hektischen Assistenzarzt. Doch in diesem Moment war das völlig in Ordnung, denn ich wusste, dass es anders einfach nicht ging. Unser Sohn kam dann am späten Nachmittag mit Hilfe der Saugglocke auf die Welt. Da wir beide sehr erschöpft wahren, blieben wir eine Nacht im Krankenhaus.

Zwar haben wir uns auch im Krankenhaus gut aufgehoben gefühlt und waren positiv überrascht vom Engagement des Oberarztes, es ohne Kaiserschnitt zu versuchen, und der guten Betreuung auf der Station, doch wir würden jederzeit wieder die Ruhe und die Selbstsicherheit, die ich im Geburtshaus hatte, vorziehen. So individuell die Hebammen im Geburtshaus auch sind, ich hätte mich bei jeder einzelnen während der Geburt gut aufgehoben gefühlt und fand es schön, durch die Betreuung im Team auch mal unterschiedliche Ansichten zu hören um mir meine eigene Meinung bilden zu können. Mit der Nachsorge waren wir sehr zufrieden und als Katja mal nicht zu uns kommen konnte, sprangen die Kolleginnen ein. Außerdem tat es mir gut, mit Yvonne nochmal über die Geburt zu sprechen, um die Enttäuschung über den "ungeplanten" Verlauf, die dann doch irgendwann da war, verarbeiten zu können.

Auch wenn unser kleiner Schatz nicht dort auf die Welt kam, ist er doch irgendwie ein Geburtshauskind und wir sind froh über die Zeit, die wir während der Geburt dort verbringen konnten. Dafür und für die tolle Betreuung rund um die Geburt möchten wir uns beim gesamten Team ganz herzlich bedanken! Alle werdenden Eltern können wir nur ermutigen, sich gut informiert für den Geburtsort zu entscheiden, der am besten zu ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen passt und trotzdem offen für Planänderungen zu bleiben.