Am Morgen des Geburtstags meines dritten Kindes fragte mich mein Mann: “Wie fühlen sich Wehen eigentlich an?” Sicher erlebt das jede Frau anders. Aber für mich gibt es zwei verschiedene Arten Wehen: die am Anfang, die mir nur sanft bescheid sagen, dass das Kind heute geboren wird. Und die mitten unter der Geburt, die etwas ganz anderes sind.
Die ”Anfangswehen” sind ein leichtes, später stärkeres Stechen im Unterleib. Die hatte ich bei dieser dritten Schwangerschaft schon Monate vorher, Vorwehen – und obwohl sich diese Anfangswehen kaum von den Vorwehen unterschieden, war an diesem Morgen doch gleich klar, dass heute mein Kind zur Welt kommt.
Da ich das also wusste, fuhren wir, als die Abstände zwischen den Wehen nur noch 5 Minuten lang waren, ins Geburtshaus. Dort wurde es noch einmal sehr ruhig, und ich musste wirklich lachen, wie wir alle, mein Mann, die Hebamme Cora und ich, da saßen und so unglaublich undramatisch auf die jeweils nächste Wehe warteten. Vor allem, als ich in der Badewanne saß, hatte die Situation etwas komisches.
Aber die Dramatik kam, so wie sie immer kommt. Mit den richtigen, den Geburtswehen, auf die ich gewartet hatte und die ich doch am liebsten vermieden hätte. Geburtswehen sind kein Stechen mehr, ich weiß nicht einmal, ob Geburtswehen überhaupt noch Schmerzen sind. Sie sind eine solch unfassbare Kraft, dass sie einen überrollen können, sind so urgewaltige Notwendigkeit, das Kind auf die Welt zu bringen, sind so dunkel und schwer und unabwendbar. Wie schwere, nasse, schwarze Erde. Ich glaube, die Kunst ist es, diese Wehen geschehen zu lassen, nicht abwehren zu wollen, nicht zu flüchten, mit ihnen zu gehen, auf immer die nächste zu warten, um zu gebären, und ich weiß, es gibt keine andere Erfahrung in meinem Leben, die so stark und lehrreich gewesen wäre oder die mir deutlicher gezeigt hätte, dass es Dinge gibt, die ich nicht steuern kann und denen ich mich hingeben muss damit sie gut werden.
Mein Mann war da, der mir den Kopf hielt und gegen den ich meine Schultern stemmen konnte. Auch mein Mann denkt nicht mehr unter der Geburt – steht er am Anfang immer noch etwas ratlos herum, lenken ihn später die Wehen genauso wie mich.
Und Cora war da, geduldig, wissend, stützend, zuversichtlich, Cora hat mir geholfen, sie hat mir den Weg gezeigt, die Richtung gegeben und mir immer wieder in Erinnerung gerufen, was sich unter Wehen so leicht vergessen lässt: Es ist gut so, wie es ist, so kommt das Leben auf die Welt, mit jeder Wehe mehr.
Und dann, nach langer Zeit oder kurzer, kommt das Kind ja auch unweigerlich. Und in diesem Moment, wenn das Köpfchen geboren wird, wird es so licht und leicht nach all der Schwere und der Dunkelheit, dass für Wochen nichts dieses Licht wieder vertreiben kann. Ich nehme an, das ist das Licht der Welt, das das Kind erblickt.
Mein Mann sagt, drei Kinder reichen. Und er hat recht. Aber allein für diesen unglaublichen Prozess, die dunkle Kraft und dann das Licht und die Freude nach der Geburt würde ich noch ein viertes Kind bekommen.
Ich rede noch mal mit ihm darüber.
Das ist mein Geburtsbericht – er ist hier zu Ende, aber ich muss doch noch eine Lanze für die Hebammen und die Geburtshäuser brechen.
Hebammen wie Cora sind der Grund, aus dem ich jedes meiner drei Kinder im Geburtshaus bekommen habe: Hier wird der Prozess des Gebärens so gelassen, wie er ist und wie er schon immer war, wie er sein soll. Es wird nicht eingegriffen, es wird nicht manipuliert, es herrscht keine Alarmstimmung, die Hebammen sind ganz für die Gebärende da, lösen sich nicht im Schichtdienst ab und müssen sich nicht zwischen mehreren Kreißsälen aufteilen. Sie begleiten einen mit ihrer Ruhe und ihrem Wissen, so dass man keine Angst zu haben braucht und deshalb auch keine Schmerzmittel. Sie helfen, ohne den Prozess der Geburt zu stören, so wie Hebammen das seit tausenden von Jahren tun. Für mich fühlt es sich richtig an, im Geburtshaus zu gebären.