Geburtsbericht - Familie von Matuschka

 

Als ich schwanger wurde, war ich mir sicher, dass ich die Schwangerschaft und auch das Mutter-Sein gut meistern würde, doch die Geburt - davor graute es mir. Ich kannte nur die Bilder aus dem Fernse-hen von Frauen, die liegend in einem Krankenhauszimmer schreiten und schwitzten, und die Erfahrung meiner eigenen Mutter, die zwei Kaiserschnitte hatte. Also begann ich, mithilfe von Büchern über selbstbestimmte Geburt und positiven Erfahrungsberichten die negative Programmierung in Bezug auf Geburt zu überschreiben. (Sehr empfehlen kann ich „Die selbstbestimmte Geburt“ von Ina May Gas-kin, „Birthing from Within“ von Pam England und Rob Horowitz und das „Rockstar Birth Magazine“.) Schnell wurde mir klar, dass eine Geburt prinzipiell kein medizinisches Ereignis ist, und dass viele Kom-plikationen überhaupt erst durch Interventionen hervorgerufen werden.Eine Hausgeburt wäre mir am liebsten gewesen – nur fanden mein Mann und ich den Großteil der Schwangerschaft über keine eigene Wohnung dort, wo wir in Kalifornien lebten und die Preise unbe-zahlbar waren. In Berkeley gab es sogar zwei Geburtshäuser, doch kostet eine Geburt dort 4.000 US Dollar. Am Ende des fünften Monats beschlossen wir, bald zurück nach Deutschland zu ziehen. Als ich übers Internet erfuhr, dass es in Idstein das Geburtshaus gibt, wusste ich sofort: Da will ich hin! Ich konnte kaum fassen, dass die Kosten für die Geburt hier sogar von den Krankenkassen übernommen werden.
Zwei Monate vor der Geburt zogen wir also hochschwanger nach Deutschland. In den Wochen nach der Ankunft lernte ich in Aufklärungsgesprächen, bei einem Geburtsvorbereitungskurs und durch die Vorsorgeuntersuchungen alle Hebammen kennen. Alle waren sie mir sehr sympathisch, und ich fühlte mich sehr gut versorgt. Am liebsten wäre ich gar nicht zur Frauenärztin gegangen, doch musste noch die Lage der Plazenta per Ultraschall ermittelt werden. Bei dieser Gelegenheit fand die Frauenärztin auch gleich etwas „Problematisches“. Unsere Maus war laut Schätzung des Ultraschallgeräts ver-gleichsweise klein für ihr Alter in utero, sodass wir im Krankenhaus die Sauerstoffversorgung der Pla-zenta überprüfen lassen mussten. Ich wusste eigentlich, dass alles in Ordnung war, doch begann ich mir dann doch Sorgen zu machen. (Letztendlich kam unsere Tochter eine Woche nach dem errechne-ten Termin mit perfekten 3.260 Gramm zur Welt.) Doch vor allem ärgerte ich mich über die Ärzte, die mit Maschinen und Verstand nach Problemen suchten, und sich nicht einmal nach dem Gefühl der Mutter erkundigten. Die Hebammen im Geburtshaus nahmen stets liebevoll mit ihren Händen mit meiner Kleinen Kontakt auf, und wurden direkt mit einem Tritt begrüßt. Sie spürten, dass das Kind sich gesund und munter bewegte, und dass es für eine zierliche Mutter genau groß genug war. Ihr Ver-trauen in die Fähigkeiten des weiblichen Körpers stärkten mein Selbstvertrauen und meine Zuversicht.
Eine feste Zusage für das Geburtshaus hatte ich noch nicht – ich stand auf Platz 1 der Warteliste. Mein Gefühl sagte mir, dass unsere Tochter dort zur Welt kommen wollte, und sie irgendwie einrichten würde, dass wir nachrücken. Zwei Wochen vor dem errechneten Termin wurde mir mitgeteilt, dass ich nicht nachrücken würde. Ich erinnere mich noch sehr genau an den Anruf, bei dem Adeline sehr ver-ständnisvoll und einfühlsam war, als ich zu Schluchzen begann. Für mich fielen alle Vorstellungen von einer schönen Geburt zusammen, und ich konnte einfach nicht fassen, dass mein Gefühl nicht ge-stimmt haben sollte. Ich musste mich also mit meiner größten Angst auseinandersetzen: dem Kran-kenhaus. Ich besuchte den Kreißsaal, meldete mich an, und suchte mir eine Freundin, die schon Erfah-rungen mit dem Gebären im Krankenhaus gemacht hatte, und die uns begleiten, und während der Geburt für meine Wünsche einstehen würde. Doch es fiel mir weiterhin schwer, mir eine positive Ge-burt in der Klinik vorzustellen. Trotz der Absage für die Geburt ging ich zu den Vorsorgeuntersuchungen weiterhin ins Geburtshaus – zum Glück, denn so ergab es sich, dass Katja noch einmal für mich nach-fragte, als der Kapazitäten-Engpass vorüber war, und ich dann doch nachrücken durfte!
Die Geburt von Emma Freya lief noch viel besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte gelesen, dass es normal ist, in der Übergangsphase das Gefühl zu haben, nicht mehr zu können, oder Panik zu be-kommen. Doch nichts dergleichen passierte. Ich blieb die ganze Zeit über zentriert und mit meinem Ausatmen verbunden. (Yoga und alle Übungen, welche die Wahrnehmung des Atems schulen, kann ich ebenfalls sehr empfehlen!). Als wir im Geburtshaus ankamen, war mein Muttermund schon 7-8 Zentimeter offen, und am liebsten hätte ich die Toilette nicht mehr verlassen, wo ich den Beckenboden ganz entspannen konnte. Wie froh war ich, dass ich zum Schreiben des CTG’s auf einer Matte auf dem Boden knien durfte, und mir unsere Hebamme Yvonne flexibel entgegen kam. Dank des schummrigen Lichts und der gemütlichen Einrichtung konnte ich mich wie zu Hause fallen lassen. Yvonne versicherte mir, dass ich alles richtig machte, und sie deswegen nichts sagte. Kurz vor dem Pressen bat ich darum, dass sie mich mit Anleitung zum Atmen durch einige Wehen führe, da alles intensiver wurde, und so blieb ich auch in dieser Phase zentriert. Meine Wehen kamen die ganze Zeit über Schlag auf Schlag. Ich erinnere mich an nur drei kleine Pausen, für die ich innerlich Dankbarkeit äußerte. Nach nur knapp zwei Stunden im Geburtshaus war Emma Freya da. Unsere zweite Hebamme Susanne kam an, als unser Neugeborenes schon auf meiner Brust lag. Und dann durften wir erst einmal etwas Zeit zu dritt verbringen. Ich werde nie vergessen, wie mich Emma mit großen Augen stirnrunzelnd beim Stillen anschaute, hellwach vom Hormonrausch, von keinen Medikamenten getrübt.
Im Großen und Ganzen war die Geburt eine Grenzerfahrung, aber durchaus machbar, und weniger schmerzhaft, als ich erwartet hatte. Durch die sternklare Nacht fuhren wir nach Hause, wo wir es uns in unserem Familienbett plus Beistellbett gemütlich machten, und mein Mann mir alles zu Essen und Trinken bringen konnte, was ich wollte. Ich bin sehr froh, dass wir die wertvollen ersten Tage nicht in der Klinik verbringen mussten. Wir hatten zwar zunächst keine Nachsorgehebamme gefunden (erst neun Tage nach der Geburt), doch drei Tage nach der Geburt trafen wir uns nochmal mit Yvonne, die sich sehr viel Zeit für uns nahm und auch danach noch für uns erreichbar war. Ich bin mit meiner Zeit im Geburtshaus rundum zufrieden und kann es jeder, für die es sich richtig anfühlt, empfehlen!