Schon lange bevor wir schwanger waren, spazierten wir durch Idstein und sind auf Grund des tollen Altbaus auf das Geburtshaus aufmerksam geworden. Nachdem wir uns darüber informiert hatten, was ein Geburtshaus bietet, waren wir von der Idee begeistert, unser Kind nicht im Krankenhaus, sondern in einer solch heimeligen Atmosphäre zu bekommen.Als wir schwanger waren (Erstgeburt), kam uns direkt das Geburtshaus wieder in den Sinn. Wir sind beide offen für alternative Heilmethoden, wenn die Schulmedizin nicht dringend notwendig ist. Auch hinsichtlich Geburt war es für uns von Anfang an klar, dass man schwanger und nicht krank ist - wieso sollte man also das Natürlichste der Welt in einem Krankenhaus erleben? Ich sprach mit meiner Hebamme darüber und sie ermutigte uns, sich diesen natürlichen Weg der Geburt anzuschauen.
Also nahmen wir am Infoabend teil und waren vollends begeistert über die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen im Geburtshaus. Noch klarer wurde unsere Entscheidung, als auf Grund des Lock-Downs der Corona-Pandemie immer mehr Krankenhäuser keine Väter zur Geburt bzw. als Besucher im Wochenbett zuließen. Wir nahmen die regelmäßigen Vorsorge-Termine im Geburtshaus wahr und waren begeistert über das Fachwissen der dortigen Hebammen. Mit Hilfe ihrer Hände konnten sie genau bestimmen, wie es unserer Tochter geht, wie sie liegt und vieles mehr. Bei den anderen Vorsorgeterminen beim Frauenarzt kamen nur medizinische Geräte zum Einsatz. Die Ärztin hatte die ganze Schwangerschaft kein einziges Mal meinen Bauch angefasst. Wir fühlten uns also schon in der Schwangerschaft sehr gut im Geburtshaus aufgehoben und wurden ermutigt, dass eine natürliche Geburt auch ohne Ärzte möglich ist. Nach einer komplikationslosen Schwangerschaft begann in der 38. Schwangerschaftswoche die Rufbereitschaft und wir waren überglücklich, dass uns die Chance gegeben wird, im Geburtshaus zu entbinden, obwohl es unser erstes Kind war! Natürlich sollte man sich aber auch immer bewusst sein, dass eine Verlegung in die Klinik notwendig sein könnte. So war unser Gedanke von Anfang an wie folgt: „Wenn eine Verlegung notwendig wird, dann ist auch der medizinische Hintergrund für diese Geburt notwendig und sinnvoll. In diesem Falle ist eine Klinik die richtige Einrichtung. Doch wenn es im Geburtshaus klappt, umso besser!“ In der 39. Schwangerschaftswoche war es dann so weit: Am Abend des 10.12. bekam ich gegen 22 Uhr Wehen. Die Nacht davor hatte ich auch schon erste Vorwehen, demnach war ich erst einmal vorsichtig, wie sich diese entwickeln würden. Wir gingen schlafen und ich versuchte mich so gut es ging auszuruhen. Doch die Wehen wurden stärker und in der Mitte der Nacht fing ich an, die Uhrzeit zu stoppen und zu schauen, in welchem Abstand die Wehen kamen. Gegen 5 Uhr morgens waren wir bei 1 Minute Wehe im Abstand von 3 Minuten. Wir kontaktierten die Rufbereitschaft des Geburtshauses und vereinbarten, uns gegen halb 7 im Geburtshaus zu treffen. Als wir dort ankamen (wie gesagt konnte der werdende Papa die gesamte Zeit dabei sein, was in diesen Zeiten wirklich keine Selbstverständlichkeit war!), war die Atmosphäre im Geburtshaus total schön, das Licht war gedimmt und Kerzen waren angezündet. Ich wurde untersucht und die Hebamme Anna teilte uns mit, dass es zwar definitiv los geht, wir aber auf jeden Fall noch ein wenig Zeit hätten. Sie bot uns an, noch einmal nach Hause zu fahren. Darüber bin ich im Nachhinein auch sehr froh, denn Zuhause konnte ich so weitere 6 Stunden meine Wehen veratmen, nochmal in die Wanne gehen und mich in den Wehenpausen versuchen, zu entspannen. Als die Wehen dann alle 1,5 Minuten 90 Sekunden lang kamen, verabredeten wir uns für 13 Uhr erneut im Geburtshaus. Die Hebammenschicht hatte in der Zwischenzeit gewechselt und Susanne erwartete uns. Dort angekommen, war der Muttermund bereits 4 bis 5 cm geöffnet und die Herztöne unserer Tochter sehr gut. Die Wehen kamen nun immer stärker und intensiver.Susanne schlug nach ca. 1,5 Stunden vor, in die Badewanne zu gehen. Wir wechselten dazu in den anderen Geburtsraum. Nach und nach konnte ich mich in der Badewanne relativ gut entspannen und die Wehen nahmen weiter zu. Susanne rief in der Zwischenzeit die zweite Hebamme Cora dazu. Bald würden wir unsere Tochter im Arm halten! Die letzte Wehenphase zog sich bei uns leider länger hin als gedacht. Am Ende wussten wir auch warum: Unsere kleine Tochter hatte ihren Arm neben den Kopf gestreckt und im Geburtskanal nicht mehr zurückgezogen bekommen. Susanne und Cora haben das aber trotz dieser Umstände super gemacht und mich bei jeder Wehe immer wieder ermutigt, nicht aufzugeben. Ich war total erschöpft und dachte, ich würde es nicht schaffen, doch mit der Hilfe der beiden Hebammen konnten wir um genau 17:41 h unsere Tochter Marie in die Arme schließen. Wir konnten unser Glück kaum fassen - wir hatten ein Kind geboren - und wurden für die erste Kuschelzeit erst einmal allein gelassen. Danach wurde die auspulsierte Nabelschnur durchtrennt und von Cora gemeinsam mit dem Papa die U1 bei unserer Tochter durchgeführt. Es ging ihr bestens. Wir bestellten dann noch Pizza bei der naheliegenden Pizzeria und genossen total erschöpft das Essen im Geburtshaus. Schöner geht es kaum, das schönste Baby der Welt im Arm, sich stärken - und das in einer so wohnzimmerartigen Atmosphäre. Wir waren überwältigt von unseren Gefühlen und überglücklich! Nach ca. 3 Stunden war mein Kreislauf stabil und wir wurden von den beiden Hebammen zufrieden entlassen. Gegen 21 Uhr kamen wir bei uns Zuhause an – nicht mehr nur zu zweit, sondern ab jetzt zu dritt als kleine Familie. Was für ein wunderbares Weihnachtsgeschenk!